Erneut BGH-Urteil zu Bewertungen im Internet


IT-Recht |

Kürzlich hat der BGH erneut zu Bewertungen im Internet entschieden. Negative Bewertungen im Internet sind ein Dauerthema, weil diese den betroffenen Unternehmen immer schaden. Allerdings ist es grundsätzlich so, dass auch negative Bewertungen von Unternehmen hinzunehmen sind, da diese unter die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 GG fallen. Lediglich Formalbeleidigungen, Schmähkritik, Angriffe auf die Menschenwürde und unwahre Tatsachenbehauptungen unterfallen der Meinungsäußerungsfreiheit nicht.

 

Bewertungsportale dienen einem öffentlichen Informationsinteresse. Daher hat der BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Unternehmen, die ihre Leistungen am Markt anbieten, es hinzunehmen haben, dass sie bewertet werden und sogar ungewollt oder ungefragt auf Bewertungsportale (z.B. über öffentlich zugängliche Informationen) aufgenommen werden.

 

Rechtlich ist es so, dass grundsätzlich bei einer Bewertung in einem Bewertungsportal zum Ausdruck gebracht wird, dass dieser Bewertung ein geschäftlicher Kontakt vorausgegangen ist. Dies ist eine Tatsache und damit dem Beweis zugänglich. Rechtlich ist es aber auch ausdrücklich möglich, dass Bewertende im Internet anonym agieren. Dies kann natürlich dazu genutzt werden, berechtigte Kritik zu äußern ohne sich persönlich offenbaren zu müssen, es kann aber leider auch dazu benutzt werden, Bewertungen anonym zu erstellen, die auf überhaupt keiner Grundlage bestehen, sondern nur dem Unternehmen schaden sollen. Der bestehende geschäftliche Kontakt ist also der Dreh- und Angelpunkt der Bewertung.

 

Bislang war streitig, ob ein betroffenes Unternehmen einen geschäftlichen Kontakt auch dann noch bestreiten kann, wenn sich schon aus der Bewertung an sich ein geschäftlicher Kontakt ableiten lässt und somit eigentlich rechtlich der geschäftliche Kontakt bereits vermutet würde.

 

Der BGH hat nun mit Entscheidung vom 9. August 2022 (VI ZR 1244/20) entschieden, dass diese Vermutung nicht existiert auch wenn Indizien für einen Geschäftskontakt sprechen. Immer dann, wenn kein geschäftlicher Kontakt vorliegt, gibt es auch keine tatsächliche Grundlage für eine Bewertung, da ein berechtigtes Interesse der Nutzer, eine tatsächlich nicht stattgefundene Inanspruchnahme der Leistungen der Klägerin zu bewerten, ist nicht ersichtlich“ ist. Und weiter: „Entgegen der Ansicht der Revision reicht eine Rüge des Bewerteten, der Bewertung liege kein Geschäftskontakt zugrunde, grundsätzlich aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Zu weiteren Darlegungen, insbesondere einer näheren Begründung seiner Behauptung des fehlenden Gästekontakts, ist er gegenüber dem Bewertungsportal grundsätzlich nicht verpflichtet. Dies gilt nicht nur in dem Fall, dass die Bewertung keinerlei tatsächliche, die konkrete Inanspruchnahme der Leistung beschreibende Angabe enthält und dem Bewerteten daher eine weitere Begründung schon gar nicht möglich ist, sondern auch dann, wenn für einen Gästekontakt sprechende Angaben vorliegen (Klarstellung zu Senatsurteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 26). Denn der Bewertete kann diese Angaben regelmäßig nicht überprüfen und damit den behaupteten Gästekontakt nicht sicher feststellen. Einer näheren Begründung der Behauptung des fehlenden Gästekontaktes bedarf es nur, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt. Im Übrigen gilt die Grenze des Rechtsmissbrauchs.“

 

Sobald also das bewertete Unternehmen den fehlenden Geschäftskontakt rügt, löst dies eine Prüfpflicht beim Portalbetreiber aus. Macht der Portalbetreiber dann gar nichts, kommt er seiner Prüfpflicht nicht nach und wenn dann im Folgenden der Geschäftskontakt nicht substantiiert dargelegt wird (über Nachforschungen des Bewertungsportals beim Bewerter), ist davon auszugehen, dass den angegriffenen Bewertungen kein Geschäftskontakt zugrunde lag, mit der Folge das die Bewertung zu löschen ist. Sobald der Portalbetreiber allerdings tätig wird und den Bewerter auffordert den Geschäftskontakt nachzuweisen und dieser das auch durch Buchungsbestätigungen oder Rechnungen nachweisen kann, ist der Beweis erbracht und die Bewertung bleibt – so sie denn tatsächlich richtig ist – bestehen.

 

Wenn Sie also eine negative, anonyme Ihres Unternehmens löschen lassen wollen, brauchen Sie lediglich den geschäftlichen Kontakt bestreiten, der die Grundlage der Bewertung sein soll. Kann dann der Portalbetreiber einen solchen Kontakt nicht nachweisen, zum Beispiel weil die Nachfrage beim Nutzer, der die Bewertung verfasst hat, unergiebig blieb, muss der Portalbetreiber die Bewertung löschen. Kritisch an der Entscheidung (so vorteilhaft sie auch für unsere Mandanten sein wird) zu bewerten ist, dass damit letztlich ein anonymes Agieren im Internet ausgehebelt wird. Man ist natürlich nicht mehr anonym im Netz unterwegs, wenn man z.B. bei einer berechtigten wahren Kritik zwingend den Beweis dafür erbringen muss, dass man zu der Kritik auch berechtigt war (weil eben nachweislich der geschäftliche Kontakt bestand). Es bleibt daher zu erwarten, dass sich auch das Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage noch beschäftigen wird. Bis dahin profitieren eindeutig die ungerechtfertigt negativ Bewerteten, was wir ausdrücklich begrüßen, da unserer Ansicht nach dem Geschäftsmodell der „Fake-Bewertungen“ ein Riegel vorgeschoben werden musste.