Der BGH hat am 15.02.2022 erneut eine Klage auf Löschung eines Profils bei dem Bewertungsportal Jameda abgewiesen (Az.: VI ZR 692/20).
Eine Ärztin (die spätere Klägerin) erhielt im Jahre 2018 eine Patientenbewertung, nach der sie als „arrogant, unfreundlich, unprofessionell” beschrieben wurde. Dies wollte sie nicht hinnehmen und klagte auf Löschung ihres Profils bei Jameda nach Art. 17 DSGVO. Art. 17 DSGVO ermöglicht es Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen, personenbezogene Daten durch den Verantwortlichen löschen zu lassen.
Jameda ist ein Arztsuche- und bewertungsportal auf dem Profile zu Arztpraxen angezeigt werden. Die Profile enthalten zum einen „neutrale“ Basisangaben wie Name, Fachrichtung und Praxisanschrift. Zum anderen können aber Patienten auch subjektive Erfahrungen teilen, indem sie die Ärzte benoten und Freitextbewertungen hinterlegen.
Auf Jameda werden Ärzte ohne deren Zutun als Basisprofile gelistet. Neben diesen Basisprofilen bietet Jameda ein Upgrade gegen Bezahlung für Premiumkunden an. Hiermit können Ärzte das Profil um ein Bild und weitere Informationen ergänzen. Dies gewährleistet eine bessere Auffindbarkeit über Google und das Profil erscheint auch in einer Liste von Anzeigen, die als solche gekennzeichnet ist.
Im vorliegenden Fall sah der BGH keinen Löschungsgrund nach der DSGVO. Bei den – dienstlichen - Daten der Ärztin handelt es sich zwar um personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Nach Ansicht des BGHs stellt die Erstellung und Unterhaltung eines Basisprofils durch Jameda aber eine rechtmäßige Verarbeitung der Daten aus berechtigten Interessen gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO dar.
Maßgeblich für die Abwägung der unterschiedlichen Interessen der Beteiligten ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Für den Betrieb des Portals spricht die Meinungs- und Informationsfreiheit nach Art. 11 Abs. 1 GRCh: Jameda erfüllt eine „gesellschaftlich erwünschte Funktion“, weil sie der unabhängigen Information der Öffentlichkeit über die Qualität der Leistungen von Unternehmen dienen. Durch Jameda erhält die Öffentlichkeit einen Überblick von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden. Weiter werden persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten wiedergegeben. Die Verarbeitung der Basisdaten der Ärzte ist erforderlich, um die Interessen von Jameda und den Nutzern zu erfüllen. Denn der Zweck der Plattform ist eine möglichst umfassende Übersicht, mit der Konsequenz, dass einzelne Ärzte identifiziert und gefunden werden können.
Die betroffenen Ärzte hingegen genießen u. a. den Schutz ihrer personenbezogenen Daten nach Art. 8 GRCh und die Achtung ihres sozialen und beruflichen Geltungsanspruchs nach Art. 7 GRCh, denn Bewertungen im Internet können eine erhebliche Auswirkung auf den beruflichen und wirtschaftlichen Erfolg haben.
Der BGH ist allerdings der Ansicht, dass jeder beruflich selbständig Tätiger einer dauerhaften Beobachtung seiner Arbeit durch die Öffentlichkeit und möglicher Kritik ausgesetzt ist. Diese Situation wird nicht erst durch Jameda erzeugt. Jameda tritt auch als „neutrale Informationsmittlerin“ auf. Die Differenzierung zwischen Basis- und Premiumprofil erzeugt keinen unsachlichen Eindruck dahingehend, dass Premiumkunden „die besseren Ärzte“ seien. Daher ist der BGH der Ansicht, dass das öffentliche Interesse an einer verbesserten Leistungstransparenz im Gesundheitswesen im konkreten Fall die Interessen der Ärztin überwiegt.
Berufsbezogene Daten stehen regelmäßig in der Öffentlichkeit und genießen im Rahmen von Abwägungen wie hier unter Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO tendenziell einen geringeren Schutz als private Angaben. Diese Interessenabwägung könne allerdings dann anders ausfallen, wenn Jameda die Funktion eines neutralen Informationsmittlers verlässt (dies war bei früheren Entscheidungen des BGH betreffend Jameda gegeben, weil Jameda zahlenden Kunden in der Vergangenheit verdeckte Vorteile zukommen ließ).