Filesharing-Abmahnungen – doch noch kein Fall für die Archive?


Gewerblicher Rechtschutz / IP, Urheberrecht |

Seit über fünfzehn Jahren beschäftigen wir uns als Rechtsanwälte intensiv mit dem Thema Filesharing-Abmahnungen. Trotz der Veränderungen im digitalen Konsumverhalten bleibt dieser Bereich nach wie vor ein Bestandteil der rechtlichen Auseinandersetzungen im Urheberrecht, insbesondere im Filmrecht, Musikrecht und Softwarerecht. Zwar hat sich nach Aufkommen von Streamingportalen und diverser legaler Möglichkeiten auf ein breites Repertoire an Werken zuzugreifen, auch das Abmahnvolumen deutlich reduziert. Gänzlich erledigt hat sich das Thema Filesharing-Abmahnungen jedoch bis heute nicht.

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1. Was sind Filesharing-Abmahnungen?

Unter Filesharing-Abmahnungen versteht man die anwaltliche Durchsetzung von Urheberrechtsverletzungen gegenüber Privatnutzern, die über Tauschbörsen oder Filehosting-Plattformen urheberrechtlich geschützte Werke wie Filme, Musik, Software oder Computerspiele verbreiten oder herunterladen.
Diese Filesharing-Abmahnungen werden meist von spezialisierten Kanzleien im Auftrag großer Rechteinhaber ausgesprochen. Sie richten sich an Anschlussinhaber, die durch die öffentliche Zugänglichmachung von urheberrechtlich geschützten Werken gegen das Urheberrechtsgesetz (UrhG) verstoßen haben sollen.
Wie funktioniert Filesharing?
Das Hochladen und Herunterladen geschützter Werke erfolgt über sogenannte Peer-to-Peer-Netzwerke (P2P) oder Filehosting-Dienste. Dabei wird eine Datei nicht nur heruntergeladen, sondern gleichzeitig für andere Nutzer zum Download bereitgestellt. Dieser Mechanismus führt dazu, dass eine Vielzahl an Nutzern Zugriff auf die Datei erhält, ohne dass der Betreiber der Plattform eine eigene Infrastruktur bereitstellen muss.
Sobald ein Nutzer einen Download startet, begeht er eine Urheberrechtsverletzung, da er das Werk gleichzeitig für andere Nutzer bereitstellt (öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG).

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2. Wie ermitteln Rechteinhaber Verstöße gegen das Urheberrecht?

Um Verstöße gegen das Urheberrecht zu identifizieren, setzen Rechteinhaber spezielle Crawler-Programme ein, die systematisch Filesharing-Plattformen überwachen. Diese Programme erfassen unter anderem:

  • Zeitpunkt des Uploads / Downloads
  • IP-Adresse des Nutzers
  • Metadaten der Datei

Mit Hilfe der ermittelten IP-Adresse kann der Rechteinhaber über den jeweiligen Internetanbieter (Provider) den Anschlussinhaber identifizieren. Auf Basis dieser Daten versenden Rechtsanwaltskanzleien dann Abmahnungen mit der Forderung nach Unterlassung, Schadensersatz und Kostenerstattung.

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3. Welche Ansprüche werden in einer Filesharing-Abmahnung geltend gemacht?

Ein abgemahnter Anschlussinhaber wird in der Regel mit drei wesentlichen Ansprüchen konfrontiert:

1) Unterlassungsanspruch

Der wichtigste Anspruch ist der Unterlassungsanspruch, mit dem der Rechteinhaber sicherstellen will, dass die Urheberrechtsverletzung künftig nicht erneut begangen wird.
Dieser Anspruch wird durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erfüllt. In der Abmahnung wird meist eine vorgefertigte Erklärung mitgeliefert, die unterschrieben werden soll. Diese Erklärung enthält:

  • Die genaue Bezeichnung der Rechtsverletzung
  • Eine Verpflichtung, die Urheberrechtsverletzung zukünftig zu unterlassen
  • Ein sogenanntes Vertragsstrafenversprechen

Sollte es erneut zu einer Urheberrechtsverletzung kommen, wird eine Vertragsstrafe fällig. Diese richtet sich häufig nach dem "Hamburger Brauch", einer flexiblen Regelung zur Festlegung der Vertragsstrafenhöhe.

2) Schadensersatzanspruch

Neben dem Unterlassungsanspruch fordern Rechteinhaber auch Schadensersatz. Dieser wird nach der Lizenzanalogie berechnet:

•    Die Höhe des Schadensersatzes richtet sich danach, welche Lizenzgebühr für die Nutzung des Werks üblicherweise fällig wäre.
•    Gerichte orientieren sich dabei an verschiedenen Faktoren, wie der Popularität des Werks, seiner wirtschaftlichen Verwertbarkeit und bestehenden Lizenzierungsmodellen.
Insbesondere im Filmrecht und Softwarerecht werden für aktuelle Werke oft hohe Lizenzgebühren angesetzt.

3) Kostenerstattungsanspruch

Zusätzlich wird die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten gefordert. Diese berechnen sich nach dem Gegenstandswert, der aus den Ansprüchen auf Unterlassung und Schadensersatz resultiert.
Der Gesetzgeber hat allerdings eine Deckelung der Abmahnkosten für private Ersttäter eingeführt:
Gemäß § 97a Abs. 3 UrhG beträgt der Streitwert für den Unterlassungsanspruch maximal 1.000 Euro. Dennoch können sich durch Schadensersatzforderungen und weitere Kosten hohe Gesamtsummen ergeben.

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4. Häufige Fallkonstellationen und die Haftungsfrage

Die zentrale Frage bei Filesharing-Abmahnungen lautet: Wer haftet für die festgestellte Urheberrechtsverletzung, wenn mehrere Personen Zugriff auf den Internetanschluss haben? In vielen Fällen ist nicht der Anschlussinhaber selbst für den Verstoß verantwortlich, sondern eine dritte Person. Doch die rechtliche Lage ist komplex: Während Rechteinhaber pauschal den Anschlussinhaber haftbar machen, gibt es Konstellationen, in denen eine Entlastung möglich ist.
Hier ist ein Best-of der häufigsten Fallkonstellationen, die bei Filesharing-Abmahnungen eine Rolle spielen:

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1) Filesharing in Wohngemeinschaften (WG-Fall)

In Wohngemeinschaften (WGs) teilen sich mehrere Personen einen Internetanschluss. Oft erhält der Hauptmieter als Anschlussinhaber eine Abmahnung, obwohl nicht er, sondern einer der Mitbewohner oder Gäste den urheberrechtlich geschützten Inhalt heruntergeladen oder weiterverbreitet hat.

Rechtliche Bewertung & Problematik:

  • Grundsätzlich haftet der Anschlussinhaber nicht automatisch für Rechtsverletzungen anderer Personen.
  • Allerdings trifft ihn eine sogenannte sekundäre Darlegungslast. Das bedeutet: Er muss darlegen, wer sonst noch Zugriff auf das Netzwerk hatte und dass er selbst nicht verantwortlich ist.
  • Die Gerichte verlangen nun in über Jahre gefestigter Rechtsprechung, dass der Anschlussinhaber zumutbare Nachforschungen anstellt und seine Mitbewohner befragt.
  • Kann der tatsächliche Täter nicht ermittelt werden, bleibt oft ein Restrisiko, dass der Anschlussinhaber letztlich doch haftet.

Verteidigungsstrategien bei Filesharing-Abmahnungen:

  • Es sollte im Rahmen der notwendigen Nachforschungen nach Erhalt der Filesharing-Abmahnung eine Liste der Personen erstellt werden, die Zugriff auf das WLAN hatten.
  • Falls das Netzwerk ausreichend gesichert war (z. B. WPA2-Verschlüsselung, keine ungesicherten Gästezugänge), kann dies ein Entlastungsargument sein.
  • Es sollte geprüft werden, ob sich aus der IP-Adresse oder dem Zeitstempel eine exakte Zuordnung zu einer bestimmten Person ergibt.


2) Filesharing durch Familienmitglieder

Abmahnungen in Familien sind besonders häufig, da meist Eltern als Anschlussinhaber fungieren, während Kinder oder andere Familienmitglieder das Filesharing betreiben.
Unterscheidung zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern:


Minderjährige Kinder:

  • Eltern haben eine Aufsichtspflicht (§ 832 BGB) und müssen sicherstellen, dass ihre Kinder keine Urheberrechtsverletzungen begehen.
  • Es wird zum Teil auch gefordert, dass sie ihre Kinder über die Rechtswidrigkeit von Filesharing nachweislich belehren müssen, was im Familienalltag nur schwer darstellbar sein dürfte.
  • Es muss ein angemessen gesichertes Netzwerk zur Verfügung stellen.
  • Falls Eltern nachweisen können, dass sie ihre Kinder über das Verbot von illegalem Filesharing aufgeklärt haben, sind sie nicht automatisch haftbar.

Volljährige Kinder:

  • Bei volljährigen Kindern entfällt grundsätzlich die Elternhaftung.
  • Eltern müssen jedoch darlegen, dass sie keinen Einfluss auf das Internetverhalten ihres volljährigen Kindes haben.
  • Gerichte verlangen oft eine Benennung der verantwortlichen Person – wenn Eltern dies verweigern, kann dies als Mitverschulden gewertet werden, womit die Eltern als Anschlussinhaber letztlich trotzdem haften.

Verteidigungsstrategien:

  • Nachweis der erfolgten Belehrung minderjähriger Kinder (schriftlich oder eidesstattlich).
  • Vortrag zu den erfolgten Nachforschungsmaßnahmen nach Erhalt der Abmahnung.
  • Dokumentation, dass volljährige Kinder eigenverantwortlich handeln und Eltern keinen Zugriff auf deren Geräte haben.
  • Falls mehrere Familienmitglieder Zugriff hatten, sollte die Nutzung genauer dokumentiert werden.


3) Filesharing in Miet- & Untermietverhältnissen

Ein weiteres häufiges Problem tritt bei Mietwohnungen und Untermietverhältnissen auf. Vermieter oder Hauptmieter stellen dem Untermieter einen Internetanschluss zur Verfügung – eine Abmahnung trifft dann oft den falschen Adressaten.

Rechtliche Bewertung & Problemstellung:

  • Der Vermieter oder Hauptmieter haftet nicht automatisch, wenn der Untermieter die Urheberrechtsverletzung begangen hat.
  • Entscheidend ist zuerst, ob der Vermieter oder Hauptmieter ausreichende Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat.
  • Ein WLAN-Zugang für Untermieter sollte immer mit individuellem Passwort geschützt sein.

Praktische Verteidigungsstrategien:

  • Nachweis, dass der Anschluss nicht durch den Vermieter oder Hauptmieter genutzt wurde.
  • Falls der Untermieter Zugriff hatte, sollte eine Erklärung des Untermieters eingeholt werden, dieser muss gegenüber dem Anspruchsteller benannt werden.
  • Es empfiehlt sich, eine schriftliche Regelung im Mietvertrag aufzunehmen, die die Nutzung des Internets regelt und die rechtswidrige Nutzung untersagt.


4) Hotels, Cafés und öffentliche WLAN-Netze

Betreiber von Hotels, Restaurants, Cafés oder Co-Working-Spaces bieten oft öffentliches WLAN an – und können trotzdem für Filesharing-Aktivitäten ihrer Gäste abgemahnt werden.

Rechtliche Situation:

  • Früher konnten WLAN-Betreiber als sogenannte Störer haftbar gemacht werden.
  • Durch diverse Gesetzänderungen hat man sich in diesen Fällen weitgehend von der Störerhaftung verabschiedet – Betreiber haften nicht mehr uneingeschränkt für Urheberrechtsverstöße ihrer Gäste.
  • Dennoch können sie verpflichtet sein, bei wiederholten Verstößen technische Schutzmaßnahmen zu ergreifen (z. B. Sperrung von Filesharing-Diensten).

Empfohlene Maßnahmen für WLAN-Betreiber:

  • Einsatz von Content-Filtern, um illegales Filesharing zu unterbinden.
  • Gäste über die Nutzungsbedingungen des WLANs aufklären (z. B. durch AGBs oder ein Captive Portal).
  • Dokumentation der getroffenen Sicherheitsmaßnahmen, um sich bei einer Abmahnung zu entlasten.


5) Filesharing durch Gäste und Besucher

Oft wird ein Internetanschluss von Freunden, Gästen oder Bekannten genutzt, die sich kurzzeitig im Haushalt aufhalten. Dies stellt den Anschlussinhaber vor erhebliche Beweisprobleme, wenn später eine Filesharing-Abmahnung eingeht.

Rechtliche Einordnung:

  • Wenn ein Gast ohne Wissen des Anschlussinhabers Filesharing betreibt, haftet der Anschlussinhaber nicht direkt.
  • Allerdings muss der Anschlussinhaber darlegen, dass er den Zugang zum Zeitpunkt der Ermittlung des Verstoßes nicht selbst genutzt hat und den Gast schlüssig als möglichen Täter benennt.
  • Gerichte bewerten unterschiedlich, ob eine Belehrungspflicht gegenüber Gästen besteht – eine klare Aufklärung über die Nutzung des WLANs ist jedoch ratsam.

Empfohlene Vorgehensweise:

  • Dokumentation, wer wann Zugriff auf das WLAN hatte.
  • Nutzung eines Gastnetzwerks mit zeitlich begrenztem Zugang.
  • Falls eine Abmahnung eingeht, sollte (im Rahmen der Nachforschungspflicht) geprüft werden, ob zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung Gäste im Haushalt waren.

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Zusammenfassung & Fazit

  • Anschlussinhaber sind bei Filesharing-Abmahnungen nicht automatisch haftbar, müssen sich aber entlasten.
  • Sekundäre Darlegungslast: Wer sich verteidigen will, muss nachweisen, dass Dritte Zugriff auf das WLAN hatten.
  • Belehrungspflichten gegenüber Familienmitgliedern und Gästen können entscheidend sein.
  • Vermieter, Hoteliers und Unternehmen sollten technische Schutzmaßnahmen ergreifen, um Filesharing-Abmahnungen zu vermeiden.

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5. Lösungsstrategien bei einer Abmahnung

Wer eine Filesharing-Abmahnung erhält, sollte keinesfalls voreilig die mitgeschickte Unterlassungserklärung unterschreiben oder die geforderten Beträge zahlen. Stattdessen ist eine rechtliche Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt im Urheberrecht sinnvoll.

Mögliche Verteidigungsstrategien:

  • Prüfung der Vorwürfe: Ist die IP-Ermittlung korrekt? Liegt eine tatsächliche Urheberrechtsverletzung vor?
  • Anpassung der Unterlassungserklärung: Eine modifizierte Unterlassungserklärung kann verhindern, dass der Betroffene sich zu weitreichend bindet.
  • Vergleichsverhandlungen: Oft lassen sich durch eine Verhandlung mit der abmahnenden Kanzlei die Forderungen reduzieren.

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6. Ausblick

Durch die Etablierung von Streaming-Diensten wie Netflix, Spotify oder Game-Plattformen wie Steam ist die Zahl der Filesharing-Abmahnungen gesunken. Dennoch bleibt das Thema aktuell – insbesondere zuletzt durch internationale Nutzer, die in Deutschland mit einer strengeren Abmahnpraxis konfrontiert werden.
Wer eine Abmahnung wegen Filesharing erhält, sollte sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen, um eine sinnvolle Verteidigungsstrategie zu entwickeln und unnötige Kosten zu vermeiden.
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