Vorgehen gegen „Hassposts“ / Problemfelder


Medienrecht |

Zuletzt haben die Recherchen des ZDF-Magazin Royal in diesem Bereich aufhorchen lassen. Diese kamen jedoch für die Praxis nicht unbedingt überraschend.

 

Nach der langfristig angelegten Untersuchung und darauffolgenden Enthüllung durch Jan Böhmermann (ZDF Magazin vom 27.05.2022, ZDF-Mediathek) und sein, zuletzt im Bereich des Investigativjournalismus sehr eifrigen Teams, ist es sogar zu einer öffentlichen Debatte über die Ausstattung, Fähigkeiten und rechtlichen und tatsächlichen Kenntnisse der Länderpolizeibehörden, zu den Themenkomplexen der sog. „Hasspostings“ im Internet gekommen. Nachdem die Redaktion des ZDF-Magazins über mehrere Monate, in allen 16 Bundesländern klar und offen bedrohende, beleidigende bzw. volksverhetzende und verfassungsfeindliche Posts zur Anzeige gebracht hatte, wurden nur in einem geringen Teil der Fälle tatsächlich brauchbare Ermittlungen geführt und (bisher) nur in einem Fall ein Ermittlungsergebnis erzielt.

 

-Deckungsgleiche Praxiserfahrungen-

 

Im Rahmen unserer, (leider) regelmäßigen Erfahrungen mit Hasskriminalität im Netz, sowohl auf zivilrechtlicher, als auch auf strafrechtlicher Ebene, deckt sich diese journalistische Recherche mit den Erfahrungen aus der Praxis. Diese Beobachtungen werden jedoch auch regelmäßig durch Ausnahmen widerlegt, in denen gut geschulte und zumeist junge (im digitalen Raum native) Polizeibedienstete, in Spezialdezernaten herausragende Arbeit leisten.

 

Aufgrund der medienpolitisch zulässigen Möglichkeit der anonymen Kommunikation im Netz (insb. nun §19 Abs.2 TTDSG), stellt sich für die juristische Arbeit die Strafanzeige, in Fällen von rechtswidrigen Beiträgen im Netz, als vorrangiger Weg dar, binnen kurzer Zeit ein Ermittlungsergebnis, vor allen Dingen hinsichtlich der bei den jeweiligen Plattformen hinterlegten Nutzungsdaten, zu erzielen. Ein Auskunftsersuchen gegenüber den Betreibern der sozialen Netzwerke hat sich für uns als wenig praxistauglich erwiesen, da die Plattformen meist erst über gerichtliche Verfügungen zur Herausgabe der notwendigen Daten gebracht werden können. Ein solches Verfahren als Vorstufe zur Rechtsdurchsetzung zu durchlaufen, ist für den betroffenen Mandanten in den wenigsten Fällen sinnvoll, vor allem aufgrund der Zeit- und kostenintensiven Durchsetzung, währenddessen die Rechtsverletzung im Netz andauert. Vor allem, da bei der Zustellung und Durchsetzung einer solchen gerichtlichen Verfügung (zumeist im EU- Ausland), gerne mal einige Zeit vergehen kann. Zudem stehen den Ermittlungsbehörden weitreichendere Auskunftsansprüche (z.B. nach den §§22 ff. TTDSG) zur Verfügung, die auf schnellerem Weg an das gewünschte Ziel führen.

 

-NetzDG mit eingeschränktem Nutzen-

 

Die kürzlich aufgrund des NetzDG geschaffene Möglichkeit, solche Beiträge per Onlineformular zu melden, führen im besten Fall jedoch nur zur Entfernung des Beitrages.
Für den Fall, dass der rechtswidrige Beitrag jedoch nicht „nur“ allgemein rechtswidrig (z.B. Volksverhetzend, Verfassungsfeindlich etc.) war, sondern auch eine konkrete Persönlichkeitsrechtsverletzung o.ä. enthielt, ist die Durchsetzung weiterer, mit dem Post ausgelöster Annexansprüche damit nicht möglich. Vor allem, da man in den meisten Fällen den Verfasser nicht kennt und nicht erreichen kann.
Für Betroffene spielen diese Annexansprüche, über die reine Löschung eines rechtswidrigen Beitrages hinaus, jedoch eine zentrale Rolle.

 

Vor allen Dingen die bestehenden Ansprüche gegen den Verfasser, nämlich eine dauerhafte Unterlassung solcher Veröffentlichungen, sowie die Forderung nach Schadensersatz und der Ersatz der notwendigen entstandenen Rechtsverfolgungskosten, werden an dieser Stelle durch „die Anonymität des Internets“ und der geschilderten und abschreckenden Schwierigkeiten der privaten Inanspruchnahme der großen Plattformen, erheblich gefährdet.

 

Gerade diese ungehinderte und direkte Inanspruchnahme der Täter durch die Betroffenen, könnte jedoch ein wirksamer (zusätzlicher) Hebel sein, die allgemein ausufernde Welle an rechtswidrigen Botschaften im Netz zu bekämpfen.

 

-Ausblick-

 

Auf Basis der nun entstandenen Debatte, in der sich mittlerweile auch das Bundesinnenministerium eingeschaltet hat, ist daher zu hoffen, dass sich sowohl an der finanziellen Ausstattung der jeweiligen Polizeibehörden, sowie an der Schulung und Sensibilisierung der hiermit betrauten Beamten grundsätzlich etwas ändert.
Die Hasskriminalität im Internet stellt ein großes gesellschaftliches Problem dar, welches unsere demokratische Grundordnung und den Frieden in unserem Land gefährdet.

 

Wenn Beamte im Angesicht von offensichtlichen Straftaten im Internet, aufgrund der schieren Masse und der gesellschaftlichen Gewöhnung hieran, quasi das Handtuch werfen, ist dies eine Kapitulation vor den, im Internet um Macht und zweifelhafte Meinungshoheit buhlenden Akteuren.

 

Ob jedoch tatsächlich zeitnah, vor allen Dingen abgestimmt auf Landesebene, eine nötige große Umstrukturierung bzw. Steigerung der Kapazitäten erfolgen wird, bleibt abzuwarten.